UGANDA- Ein Blick über den Tellerrand für Rinderhalter!

Dr. med.vet. Nicole Herout

Als österreichische Tierärztin, die regelmäßig in Uganda tätig ist, erlebe ich immer wieder große Überraschungen, wenn ich Umgang und Probleme mit Nutztieren, hier und dort, vergleiche.

In Uganda leben über 90% der Bevölkerung mit und von der Landwirtschaft. Es ist eins der wichtigsten Status-Symbole im Land eine Kuh zu besitzen. Hat jemand ein regelmäßiges Einkommen, wird er, bevor er in ein Fahrrad investiert, eher in eine Kuh oder ein paar Ziegen investieren. So kommt es, dass es in diesem Land über 15 Millionen Rinder gibt, sowohl in der traditionellen Herdenhaltung zu oft mehr als tausend Tieren, als auch in der immer moderner werdenden Stallhaltung von Milchrindern.

Während bei ersteren meistens lokale Rassen wie das Anchole-Rind, Zebu, oder Kreuzungen gehalten werden, zählt der Großteil der Milchrinder zu den Holstein- Friesen.

Die lokalen Rassen sind teilweise ganz gut an die schwierigen Umweltbedingungen angepasst. Allerdings sind die von Hirten betreuten oft riesigen Herden, die über unbegrenzte Grasland-Weiden ziehen, kaum kontrollierbar und im Krankheitsfall auch nicht therapierbar.

Auf Grund dieser Haltungsform, der Tatsache, dass fast jedes Haus Paarhufer hält; seien es Rinder, Ziegen oder Schweine, lässt sich auch die permanent grassierende Maul-und Klauenseuche im Land nicht unter Kontrolle bringen.

Man kann daher die Situation in keiner Weise mit Europa vergleichen. Eine Keulung betroffener Tiere, staatliche Zahlungen an geschädigte Landwirte und ähnliches, gibt es in keiner Weise. Quarantäne- Maßnahmen werden zwar bei jedem lokalen Ausbruch verordnet, zeigen aber kaum Wirkung, da die großen Tiergruppen permanent in Bewegung sind. Die Impfung gegen MKS wird im großen Stil angewendet, die können sich allerdings nur wohlhabende Landwirte für ihre Tiere leisten.

So kommt es immer wieder zu Krankheitsausbrüchen, bei denen Tiere schwer erkranken und auch verenden. Die durchgeführten Behandlungen lokaler Tierärzte sind in der Regel völlig wirkungslos bis kontraproduktiv. Hier fehlt es an Wissen, an verfügbaren Medikamenten und an fachlich fundierter Einschätzung der Fälle.

Im Zuge meiner Tätigkeit in Uganda hatte ich die Möglichkeit,  in einem Fall den Einsatz von immun -stimulierenden Kräutern in einer Herde mit akutem MKS-Ausbruch zu testen:

Die Ergebnisse waren sehr überraschend: die acht Symptome aufweisenden Kühe, welche auf Grund der schmerzhaften Veränderungen im Maulbereich gar nicht mehr fressen konnten, bekamen die Kräuter in Wasser gelöst, in doppelter Dosierung dreimal täglich mit einer Flasche ins Maul verabreicht; die restlichen 150 Tiere der Herde, von denen man annehmen musste, dass sie auch infiziert sind, bekamen die normale Tagesdosis über 5 Tage mit etwas Schrot gefüttert. Die erkrankten Tiere mit Symptomen erholten sich allesamt innerhalb einer Woche, die 150 restlichen Tiere der Herde entwickelten keine erkennbaren Symptome, sodass die gesamte Herde nach ungefähr zwei Wochen als unbedenklich eingestuft wurde.

Da dies eine Zufallsbeobachtung war, werden jetzt systematische Versuche mit entsprechender korrekter Dokumentation in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium gestartet. Wenn sich diese Beobachtungen wiederholen und bestätigen lassen, könnte dies ein bahnbrechender Erfolg für Länder im Süden sein.

Was bedeutet dies aber für den europäischen Denkansatz, die MKS-Regulierung betreffend?

Ist die 100%ige Keulung aller Tiere eines betroffenen Betriebes wirklich noch zeitgemäß?

Diese Regelung stammt aus dem vorigen Jahrhundert. Damals war die durchschnittliche Bestandsgröße in Österreich bei 5-20 Rinder, viele kleine Landwirtschaften hatten kleine Bestände, die aber eng nebeneinander in den Dörfern lagen. Somit war die Verhinderung der Seuchenausbreitung rein über Sperre und Quarantäne kaum möglich.

Heute sehen wir in Ungarn betroffene Betriebe, bei denen einige wenige Tiere Symptome zeigen, dann aber auf einen Schlag mehrere Tausend Tiere aus einem Betrieb gekeult werden. Die Distanz zwischen den einzelnen Betrieben ist aber in der Regel deutlich größer geworden.  Europa hat sich gegen das vorbeugende Impfen entschieden, um ein unterschwelliges Durchseuchen zu vermeiden.

Aber was würde gegen sehr ausgeweitete, strenge Quarantäne-Regeln mit lückenloser Laborkontrolle und gleichzeitigem Einsatz von immun-stärkenden Maßnahmen sprechen? Dies hat sich beim Menschen während der letzten Pandemie als sehr hilfreich erwiesen – wurde aber weder von der Politik noch von der Wissenschaft in irgendeiner Weise unterstützt, und genauso läuft es auch bei der Regulierung der MKS ab. All dies sind VIRUS-ERKRANKUNGEN und gegen diese kann jeder Organismus mit einem starken Immun-System und, wenn vorhanden, unterstützt durch wirksame Impfungen, gut ankämpfen. Natürlich gibt es extrem gefährliche Virus-Erkrankungen mit einer sehr hohen Sterberate, wie z.B. Ebola, aber zu denen zählt die MKS nicht. Ich denke, dass gewisse staatliche Maßnahmen, die schon mal hundert Jahre existieren, auch von Zeit zu Zeit evaluiert und an die neuen Realitäten angepasst werden müssen.

Die Angst der österreichischen Landwirte betrifft daher nicht die Angst vor der Krankheit an sich, sondern die vor dem staatlich verordneten Ruin und der Tötung ihrer wertvollen Tierherden.